Wo Kanban und Scrum sich unterscheiden
Nun zur eigentlich zentralen Frage: Was sind die Unterschiede zwischen Kanban und Scrum? Wo unterscheiden sich die beiden Methoden und was bedeutet das für dich und deine Projekte? Ein Überblick:
Iteration vs. Kontinuität
Bei Scrum sind Teams darauf fokussiert, in kurzen, abgeschlossenen Zyklen konkrete Projektanforderungen und -ziele umzusetzen. Hier geht es darum, sich auf wesentliche Punkte zu konzentrieren und diese schnellstmöglich umzusetzen, um mit jeder Iteration das “Product” (die Software, die App, etc.) zu erweitern oder zu verbessern.
Kanban ist dagegen auf Langfristigkeit ausgelegt. Der Kanban-Prozess startet nicht alle 2 Wochen neu, sondern läuft von Anfang bis Ende durch. Sein Ziel ist es, nicht möglichst schnell Ergebnisse zu liefern – sondern durch kontinuierliche Arbeit im Kanban-Board Prozesse zu optimieren und “Bottlenecks” zu finden, die den Prozess stören.
Schnelle Releases vs. Produktivität
Scrum Teams arbeiten in kurzen Sprints an einem Product Increment und setzen auf Geschwindigkeit: schnelle Lieferung von echten Ergebnissen, Werten und Produkten. Bei Kanban liegt der Fokus nicht so sehr auf Geschwindigkeit, sondern einer gleichbleibenden Produktivität ohne Engpässe und Leerlaufzeiten.
Scrum ist der Sprinter, Kanban eher Typ ausdauernde Marathonläufer!
Feste Rollen vs. Kein Rollenzwang
Scrum kann nur funktionieren, wenn alle im Team ihre festen Rollen annehmen und alle Rollen verteilt sind:
- Der Product Owner hat die Verantwortung über das Produkt/Projektziel
- Der Scrum Master hat die Verantwortung über die Prozesse, Fristen und Meetings
- Das Team (1 bis 8 Personen) arbeitet aktiv am Projekt
Bei Kanban gibt es keine fixen Rollen und auch keine Notwendigkeit dafür. Das höchste der Gefühle ist hier ein Projektmanager, der das Kanban Board im Auge behält. Und selbst diese Funktion braucht es nicht immer.
Feste Teamgröße vs. Beliebig viele Mitglieder
Scrum-Teams sind naturgemäß auf maximal 10 Personen beschränkt. Mehr als das und die Übersichtlichkeit und die Kommunikation in Meetings leidet.
Kanban hat diese Einschränkung nicht. Die Teamgröße hat nur Auswirkungen darauf, wie viele Tasks gleichzeitig bearbeitet werden können. Das Kanban-Board sorgt auch bei großen Teamgrößen für den nötigen Durchblick – und kann auf der anderen Seite auch Einzelkämpfer:innen helfen, produktiver zu arbeiten.
Fixe Meetingtermine vs. Meetings nach Bedarf
In Scrum ist klar geregelt, wann Meetings stattfinden, wie lange sie dauern und was dort besprochen wird:
Meeting | Termin | Dauer | Inhalt |
---|
Daily Scrum | Täglich | max. 15 Minuten | Fortschritt, Probleme |
Sprint Review | am Ende des Sprints | 1 - 4 Stunden | Ergebnisse des Sprints |
Sprint Retrospective | am Ende des Sprints | variabel | Learnings aus dem Sprint, Prozesse |
Auch Kanban-Teams sollten sich regelmäßig austauschen; z.B., wenn neue Aufgaben auf das Board kommen oder geplant werden wollen, wenn es irgendwo Probleme gibt, etc. Im Gegensatz zu Scrum ist die Meeting-Struktur in Kanban aber viel flexibler. Außerdem sind Kanban-Boards transparent: Jedes Teammitglied kann sich in kürzester Zeit selbst einen Überblick über anstehende Aufgaben und deren Status geben.
Methode vs. Framework
Ich habe es ja weiter oben schon 1-2 mal angerissen: Kanban ist eine Methode, Scrum ein Framework. Doch was heißt das eigentlich?
Nun, eine Methode ist eine klar beschriebene Vorgehensweise oder besser gesagt Technik. Im Fall von Kanban ist damit die Nutzung eines Kanban-Boards mit einzelnen Aufgabenkarten gemeint. Kanban ist also eine konkrete Praktik, bei der gilt: “tue a, dann b, dann c”.
Ganz so einfach ist es mit Scrum nicht, weil es keine Technik, sondern ein komplexes Rahmenwerk ist. Scrum gibt zwar definierte Rollen und auch einige Techniken vor, also beispielsweise die Meetingroutine mit Daily Scrums, das Sprint Planning, die Nutzung eines Product Backlogs usw. usf. Aber innerhalb dieses Rahmens sind Scrum Teams frei und können selbst entscheiden, wie sie mit einzelnen Aufgaben und Prozessen umgehen.
Das heißt: Es ist jederzeit möglich, Scrum als Projektrahmen und Kanban als konkrete Projektmethode zu nutzen und somit beides zu machen.
Komplexe Projekte vs. “Was gerade ansteht”
Scrum eignet sich für die Organisation komplexer Projekte in dynamischen Märkten und Branchen. Für Kanban spielt der Inhalt von Projekten keine besonders große Rolle. Das zeigt schon die Geschichte: ursprünglich kam Kanban in Toyota-Fabriken in der Auslastungssteuerung der Produktion zum Einsatz - heute ist Kanban in so ziemlich allen Branchen anzutreffen.
Aufwand vs. Quantität
Ein wichtiges Kriterium in der Arbeit von Scrum Teams ist die Aufwandsschätzung. Logisch, wenn ein Sprint 2 Wochen dauert, muss das Team wissen, was es an Anforderungen in dieser Zeit umsetzen kann. Eine realistische Aufwandschätzung spielt also eine entscheidende Rolle. Im Gegensatz dazu liefert ein Kanban Board keine qualitativen Angaben zum Arbeitsaufwand oder Umfang einer Aufgabe.
Auch hier finden wir also wieder den Unterschied zwischen Geschwindigkeit (Scrum) und Produktivität (Kanban).
Sprint Planning vs. kurzfristige Änderungen
Scrum Teams planen jeden Sprint vor und nehmen während der Sprint-Phase üblicherweise keine Änderungen vor. Eine Stärke von Kanban Boards: Teams sind hier freier. Wenn neue Aufgaben reinsegeln oder sich die Priorität eines Tasks ändert, ist das kein Problem. Dann werden gestartete Aufgaben niedriger Wichtigkeit kurzerhand gestoppt und dafür eben die dringlichen Dinge erledigt.
Das bedeutet nicht, dass Scrum Teams nicht flexibel wären - nur steht mit der Sprint Planung eine feste Agenda, die auch abgearbeitet wird.